Vorkämpfer und Widersacher der Geistesfreiheit: Freigeistige Welt 3/2023 abrufbar
Von Analphabetismus bis hin zu Hinrichtungsstätten hat viel schon Geistesfreiheit entgegengewirkt. Umgekehrt dient ihr heute eine Organisiertheit vieler mit Wertschätzung für sie, die äußere Rahmenbedingungen und innere Bildungsmöglichkeiten im Blick hat. Die neue Ausgabe 3/2023 von „Unsere freigeistige Welt” thematisiert beide angesprochenen Formen eines Umgangs mit menschlichem Geist, die der Unterdrückung und die der Förderung.
Auf die Gesinnung, als der Dachverband Deutscher Volksbund für Geistesfreiheit sich 1949 konstituierte, geht ein Artikel des Gründungsvorsitzenden Prof. Dr. Gerhard von Frankenberg ein, entgegengesetzte Zustände im Mittelalter beschreibt das Gedicht „Die gute alte Zeit”. Herausgegeben wird die Vierteljahresschrift vom Bund für Geistesfreiheit (bfg) Bayreuth/Kulmbach K.d.ö.R. Das Dokument ist unten zum Download verlinkt.
Das, wozu einen Geistesfreiheit in die Lage versetzt, umfasst etwa, über ein Tier-Mensch-Übergangsfeld in der Evolutionsgeschichte zu sprechen oder auch nur „Himmelserscheinungen” wie Supernovae ohne einen Gott ursächlich zu erklären. Für ersteres soll das Kortizes-Symposium im Oktober 2023 Information an die Hand geben, letzteres konnte bei der Feier der Sommersonnwende des bfg Nürnberg in der dortigen Sternwarte vertieft werden. Damit wurde auch der Welthumanistentag begangen.
Von Frankenberg sieht das kognitiv-kommunikative Ich trotz seiner Stellung als evolutionär höchstentwickelter Bereich des Menschen nicht als reinen Selbstzweck an: Äußere und innere Geistesfreiheit ermöglicht für ihn soziokulturelle Teilhabe und staatsbürgerliche Mündigkeit. Sein Streben gilt dementsprechend einem möglichst objektiven, evidenzbasierten und realistischen, eigenständigen und unabhängigen Denken. Kreativität hat dabei ihren Platz, ja diene im weiten Sinn einer Fortführung der Evolution.
Ein verkürztes, unangemessen pauschales Urteil schließt Frankenberg aus, wo er Nuklearwaffen als Hervorbringung des menschlichen Verstandes anspricht und Verstand als Ausprägung von Geist damit differenziert einordnet. Einem anderen potentiellen Trugschluss ist ein ganzer Reprint eines wochentaz-Artikels unter dem Titel „Sind wir reif für die gottlose Gesellschaft?” gewidmet. Wenn Entkirchlichung ein „Vakuum” zurücklasse, könne die Leere mit der „Brache” von Verschwörungsgedanken wie bei dem Sturm auf das Kapitol gefüllt werden.
Der Rückgang von Bindung, hier an Religionsgemeinschaften, sei nicht ohne Weiteres vorteilhaft. Im Zuge der entsprechenden allgemeinen Tendenz sieht der taz-Autor auch das Gros der Kirchenaustritte. Wie viel Pädokriminalität von Priestern und Vertuschungsversuche tatsächlich ausmachen, lässt eine Schilderung erlebter Herangehensweisen seitens Vertretern der Amtskirche und von Spätfolgen bei ihm durch einen Betroffenen von Missbrauch ahnen. Dass schließlich Wissenschaft es ist, die stark für Säkularität arbeitet, bezieht ein Kommentar an anderer Stelle ein.
Umso mehr komme es auf freigeistige Verbände an, schlussfolgert der Kommentar und wirbt um eine pragmatische, verantwortungsbewusste Unterstützung. Von Bindung zeugt jedenfalls die zahlreiche Teilnahme an der Frühlingsfeier des bfg Schweinfurt, von der die Freigeistige Welt außerdem berichtet. Weiter enthalten sind Aktualitäten. Dass Lebensbejahung zentral ist für Humanisten, wird in mehreren Abschnitten deutlich, von Heidenspaß-Partys am Karfreitag über Rave als weltliche Form von etwas wie Spiritualität bis hin zu einem Ausschluss einer Knechtung des Leibes durch den Geist bei von Frankenberg.